Lipödem und BMI: 4 Gründe, warum der BMI falsch und gefährlich ist!

Die Diagnose Lipödem zu erhalten, ist für viele Frauen zunächst ein Schock. Eine überwältigende Mehrheit der Patientinnen, ist weit über vierzig, fünfzig  oder älter. Sie haben noch nie von einem Lipödem gehört und können sich unter der Diagnose zunächst  nichts vorstellen. Jahrelange wurde bei diesen Frauen ein hoher Body-Mass-Index (BMI) errechnet und als Übergewicht interpretiert oder das Lipödem wurde fälschlicherweise als Lymphödem diagnostiziert. Manche Frauen, in fortgeschrittenen Stadien, unterzogen sich aufgrund dieser Fehldiagnosen sogar einer bariatrischen Operation (Magenverkleinerung), da sie für ihre Schmerzen, Beschwerden und erfolglosen Bemühungen Gewicht zu verlieren keine weitere Lösung mehr sahen. 

Der Body-Mass-Index (BMI) ist eine zu grobe und unflexible Vereinfachung des Größen- und Gewichtsverhältnisses einer Person. Wichtige Faktoren, die für eine genaue Diagnosestellung und Behandlungsplanung unerlässlich sind werden nicht mit einbezogen: Familienanamnese, Vorerkrankungen, allgemeiner Lebensstil, Aktivitätsniveau, Alter und Geschlecht sind nur einige Beispiele  der wesentlichen Bestandteile unseres Gesundheitsprofils. Sie alle werden von der BMI-Berechnung ignoriert. Trotz Dessen wird der BMI Faktor weiterhin bei der Diagnosestellung (oder Fehldiagnose) als vermeintlich Aussagekräftiges Instrument genutzt.

Wie wird der Body Mass Index (BMI) berechnet?

Body-Mass-Index (BMI) = Gewicht in Kilogramm : durch Körpergröße in Metern²

Beispiel: BMI 29,2= 75kg:1,60m²

Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein numerischer Gesamtwert (wie Größe und Gewicht), der keine biologische Darstellung des allgemeinen Gesundheitszustands einer Person ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert einen BMI über 25 als Übergewicht und über 30 als Adipositas. Dies ist aber eine ungenaue und unvollständige Einschätzung. Wenn wir das oben genannte Beispiel anschschauen hat diese Person bei einem BMI von 29,2, laut WHO, deutliches Übergewicht und befindet sich an der Grenze zu Adipositas. Um es deutlich zu machen, könnte diese beispielhafte Person aber Leistungssport betreiben und viel Muskelmasse haben. Also einen sehr geringen Körperfettanteil aufweisen.

Lipödem vs. Fettleibigkeit mit BMI

Da der Body-Mass-Index (BMI) eine Berechnung ist, die die Beziehung zwischen dem Gewicht und der Körpergröße einer Person veranschaulicht, bietet er Gesundheitsdienstleistern ein Instrument zur Bewertung des allgemeinen Gesundheitszustands eines Patienten. Insbesondere wird der BMI als Größe  verwendet, um zu kategorisieren, ob eine Person untergewichtig, normalgewichtig, übergewichtig oder fettleibig ist. Obwohl der BMI kein vollständiges Bild des Gesundheitszustands eines Patienten oder der Aufschlüsselung der gesamten Körperzusammensetzung liefert, ist er ein häufig verwendeter Faktor bei der Diagnose zahlreicher Krankheiten.

Fettzellen (auch Fettgewebe genannt) dienen den menschlichen Körper als Polsterung und Wärmeisolierung. Ein Lipödem beeinträchtigt die Ansammlung dieser Fettzellen im Körper, was zu prallem, unregelmäßigem Fett in den betroffenen Bereichen, zum Beispiel den Beinen führt. Die Beine sind der am häufigsten betroffene Bereich, im Verlauf der Erkrankung kann es dazu kommen das sich auch in den Armen das Fettgewebe verändert und die Zellen wachsen. 

Lipödem verursacht im Vergleich zu Fett eine andere metabolische, chemische und mechanische Wirkung im Körper. Sowohl bei Fettleibigkeit als auch bei Lipödem wird laut der Formel ein erhöhter BMI berechnet, Lipödem und Adipositas jedoch sind nicht ein und dasselbe! Wenn der BMI als Bewertungsgrundlage für die Lipödem-Diagnose verwendet wird, ist dies eine falsche und unvollständige Bewertung.

Lipödem und Fettleibigkeit sind beide mit einer übermäßigen Fettansammlung verbunden. Fettleibigkeit zeigt sich jedoch mit einer Fettansammlung im zentralen Bereich des Körpers und wird mit Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Das Lipödem präsentiert sich jedoch mit peripherem Fett in den Extremitäten, während der Bauch und/oder die Taille typischerweise nicht betroffen sind. Da jedoch beide Krankheiten den BMI eines Patienten erhöhen, sind Fehldiagnosen häufig und destruktiv. Dies veranschaulicht warum der BMI kein biologisch gültiger Weg ist, um Fettleibigkeit oder Lipödem zu diagnostizieren.

Lipödem und BMI
Lipödem und BMI

4 Gründe, warum der Body-Mass-Index (BMI) gefährlich fehlerhaft ist

1 – Der Erfinder des BMI war ein Mathematiker, kein Mediziner.

Die BMI Formel wurde ursprünglich überhaupt nicht für individuelle Gesundheitsbewertungen verwendet! Lambert Adolphe Jacques Quetelet, ein belgischer Mathematiker, hat die BMI-Formel im frühen 19. Jahrhundert entwickelt, um schnell und einfach abschätzen zu können, welcher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung fettleibig sein könnte. Ziel war es damals, die Regierung des Landes in den 1830er Jahren bei der Zuweisung von Ressourcen zu unterstützen. Die von Quetelet entwickelte Formel ist weder biologisch gültig noch basiert sie auf metabolischen oder physiologischen Prinzipien. 

2 – Der BMI ignoriert die Fettverteilung.

WO der Körper Fett ansammelt, ist wichtig. Dies deutet nicht nur darauf hin, woran ein Patient möglicherweise leidet, sondern kann dem Arzt auch helfen, eine Fehldiagnose zu vermeiden. Das Ignorieren der Fettverteilung kann leicht dazu führen, dass entweder fehldiagnostiziert wird, also Patienten wegen etwas behandelt werden, das sie eigentlich nicht haben oder ein falsches Sicherheitsgefühl bezüglich ihrer Gesundheit haben.

3 – Der BMI berücksichtigt nicht die Knochen-, Wasser- oder Muskelmasse

BMI-Berechnungen sind zu stark vereinfacht. Eine BMI Berechnung beinhaltet weder die Tatsache, dass Knochen dichter als Muskeln und doppelt so dicht wie Fett sind, noch die Menge an fettfreier Muskulatur, die eine Person hat. Eine Person mit starken Knochen, gutem Muskeltonus und wenig Fett kann einen hohen BMI haben. So können Sportler und fitte, gesundheitsbewusste Personen als übergewichtig oder sogar fettleibig eingestuft werden. Auch wenn ein Lipödem den BMI-Wert beeinflusst, kann dieser BMI-Wert die Ursache für den höheren Wert nicht genau bestimmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Aus einem hohen BMI Wert kann nicht der Grund der Höhe abgelesen werden.

Darüber hinaus werden Flüssigkeits- und Wasseranteile des Körpers nicht in die einfache Berechnung des BMI einbezogen. Bei Frauen mit Lipödem zum Beispiel kommt es unweigerlich zu einer Ansammlung von Fettzellen, jedoch werden bei dieser Erkrankung zusätzlich (auch bei Lymphödem) übermäßige Flüssigkeitsansammlung in den betroffenen Bereichen eingelagert.  

Wenn diese Faktoren übersehen oder ignoriert werden, werden Frauen, die eigentlich an einem Lipödem leiden, oft fälschlicherweise als fettleibig diagnostiziert. Dies verhindert eine optimale Behandlung und Therapie der eigentlichen, grundlegenden Erkrankung Lipödem.

4 – BMI-Bereiche ändern sich basierend auf Ihrer Körpergröße.

Einer der offensichtlichsten und frustrierendsten Fehler der BMI-Berechnung ist, dass sie für Personen, die nicht in eine „durchschnittliche“ Körpergrößenkategorie fallen, zum beispiel sehr klein oder sehr groß sind, dramatisch vereinfacht wird. Sowohl bei kleineren als auch bei größeren Personen werden ihre „normalen“ BMI-Bereiche schrumpfen oder sich erweitern und die Diagnosegrundlagen verfälschen.

Zum Beispiel hat eine Person mit einer Körpergröße von 1,89m und einem Gewicht von 100kg einen BMI von 27,9. Dieser BMI Wert würde die Person in die Übergewichtskategorie einordnen. Obwohl diese Person einen schlanken Körper hat könnte ihr Arzt  Bedenken hinsichtlich ihres BMI äussern und nahelegen, dass eine Gewichtsabnahme erfolgen sollte. Bei dieser Größe müssten die Person etwa 75kg wiegen, um in eine „normale“ Kategorie zu fallen – was für viele in dieser Größe fast untergewichtig wäre.

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